Inklusive Sprache verändert die Hochzeitswelt 
Sprache prägt unser Denken – auch in der Hochzeitswelt. Der Begriff „Brautpaar“ mag vertraut klingen, doch er schließt viele Paare aus. Kathrin Dell-Lenz, Expertin für inklusive Trauungen, erklärt, warum es Zeit ist, umzudenken und wie Worte echte Vielfalt sichtbar machen können.
- Wie lassen sich inklusive Trauzeremonien umsetzen?
- Hast du dann ein Beispiel für eine konkrete gelungene inklusive Trauzeremonie?
- Wie gestaltest du Rituale um? Kannst du ein Beispiel nennen?
- Warum sollte man den Begriff „Hochzeitspaar“ verwenden anstelle von „Brautpaar“?
- Du bist bekannt für deine inklusive Sprache. Welche Begriffe fallen denn darunter?
- Welche Rollen-Klischees erlebst du in der Hochzeitsbranche?
- Welche Fragen sollten sich Paare selbst stellen, wenn sie eine persönliche und inklusive Zeremonie planen wollen?
- Was sollten DienstleisterInnen wie WeddingplannerInnen, RednerInnen oder Medien beachten, um Vielfalt wirklich sichtbar zu machen?
- Gibt es denn Begriffe, Rituale und Traditionen, die du bewusst anders gestaltest oder sogar ganz weglässt?
- Wie reagieren Gäste und Familie? Gibt es hier besondere Herausforderungen oder sogar schöne Überraschungen?
- Unsere Expertin
Wie lassen sich inklusive Trauzeremonien umsetzen?
„Vor allen Dingen: indem man zuhört, anstatt einfach vorauszusetzen, indem man fragt, was möchtet ihr haben, statt etwas zuzuweisen, indem man die Rituale neu denkt und Traditionen hinterfragt. Wer sagt denn, dass ein Vater die Tochter nach vorne bringen muss, wie wärs mit zwei Vätern? Oder wer sagt, dass man einen Ring tauschen muss? Inklusion beginnt mit der Haltung – mehr zu „Wie wollt ihr heiraten?“ und weg von „So sollte man heiraten“.
Hast du dann ein Beispiel für eine konkrete gelungene inklusive Trauzeremonie?
„Bei mir steht nie das Rollenbild im Mittelpunkt, sondern das Paar. Und da frage ich jedes Mal, welche Tradition möchtet ihr leben, womit fühlt ihr euch wohl und welche dürfen wir einfach mal neuschreiben. Und das ist auch das Geschenk einer freien Trauung: Sie bietet Raum für Freiheit und Individualität.
Wie gestaltest du Rituale um? Kannst du ein Beispiel nennen?
„Das Sand-Einfüllen ist eines der weit verbreitetsten Rituale, wovon ich mich aber auch löse. Beim Sand ineinander schütten fehlt für mich die Persönlichkeit. Die Geste dahinter ist schön, aus zwei Familien eine zu machen, aber wie wäre es, wenn man das bei einem Paar adaptiert, das zum Beispiel sehr gerne kocht und man dann statt dem Sand Zutaten nimmt und ein eigenes Gewürz der Liebe erstellt und alle Gäste etwas davon abbekommen. Die Persönlichkeit sollte bei allem im Vordergrund stehen.“
Warum sollte man den Begriff „Hochzeitspaar“ verwenden anstelle von „Brautpaar“?
„Brautpaar klingt natürlich harmlos, aber es schließt Paare ohne Braut aus, also zwei Männer zum Beispiel oder zwei non-binäre Menschen. Die Vielfalt wird ausgeblendet. Wenn Menschen sich schon darüber freuen, dass etwas inklusiv ist, zeigt es einfach nur, wie wenig inklusiv es bisher ist. Die Sprache ist im Wandel. Das ist kein Trend, sondern ein Spiegel für die Gerechtigkeit.“
Du bist bekannt für deine inklusive Sprache. Welche Begriffe fallen denn darunter?
„Wieso muss es Brautkleid heißen, wieso nicht Hochzeitsoutfit? Es geht nicht nur um spezielle Begriffe, sondern es geht auch um das Vermeiden oder Ignorieren von generischen Formulierungen. Wenn man zum Beispiel von Hochzeitsfotografen spricht, klammert man automatisch alle Fotografinnen aus und das passiert oft unbewusst. Da sollte man noch mal genauer hinschauen – wie man bestimmte Begriffe nutzt und die Sensibilität dafür aufbringen.“
Welche Rollen-Klischees erlebst du in der Hochzeitsbranche?
„Das klassische Setting und in den Köpfen ist immer die Braut auf der einen Seite, der Bräutigam auf der anderen. Das ist für mich wie ein gesellschaftlicher Dresscode. Ich finde, der gehört aufgebrochen: Du darfst du sein, und zwar ohne Erklärung und ganz ohne Etikette. Man hat ja zum Beispiel auch dieses typische Klischee-Denken wie: die Braut plant, der Bräutigam zahlt, sie trägt Weiß, er trägt die Verantwortung – und das erzeugt einfach Druck und eine falsche Vorstellung von Romantik. Es geht darum, alle Menschen zu inkludieren: Es geht nicht nur um LGBTQ+, sondern es geht um Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationsgeschichte, die einfach eine andere kulturelle Vorstellung haben oder auch Hetero-Paare, die das klassische Rollenbild ablehnen.“
Welche Fragen sollten sich Paare selbst stellen, wenn sie eine persönliche und inklusive Zeremonie planen wollen?
„Sie sollten für sich überlegen, wofür sie stehen, was sie selbst möchten, was sie spiegelt und nicht die Erwartung oder die Norm. Gerade beim Thema Hochzeit fragt man Familie, Freunde und FreundInnen und erhält ganz viel Input von außen. Daher ist es umso wichtiger für sich zu überlegen, ob es eigentlich Dinge gibt, die sich auch falsch anfühlen, aber die von der gesellschaftlichen Norm dazu gehören. Das Wichtigste daran ist die Freiheit, ganz nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Und mit dieser Version sollte man in die Planung starten – ohne sich dafür erklären zu müssen.“
Was sollten DienstleisterInnen wie WeddingplannerInnen, RednerInnen oder Medien beachten, um Vielfalt wirklich sichtbar zu machen?
„Auf jeden Fall weg von Pinterest, hin zur Haltung. Gerade auf das Thema Worte bezogen, sollten sie sich fragen: Sprechen wir gerade bewusst Paare an oder sprechen wir Bräute an? Sie sollten Bilder hinterfragen: Zeigen wir hier wirklich Vielfalt oder wieder nur dieses Pinterest-perfekte-hetero-Paar? Sie sollten auf Formulare achten: Sind sie genderfrei, beziehungsdivers, sind sie inklusiv gedacht? Vielfalt heißt: wir denken von Anfang an für alle mit.“
Gibt es denn Begriffe, Rituale und Traditionen, die du bewusst anders gestaltest oder sogar ganz weglässt?
„Ich spreche nie von Braut oder Bräutigam, sondern immer vom Hochzeitspaar. Ich stelle auch keine Geschlechterfragen, sondern immer Beziehungsfragen. Ich frage nicht, wer übergibt wen, sondern wie wollt ihr diesen Moment gestalten? Ich finde nicht, dass Rituale und Traditionen abgeschafft werden müssen. Sie müssen einfach geöffnet und neu gedacht werden.“
Wie reagieren Gäste und Familie? Gibt es hier besondere Herausforderungen oder sogar schöne Überraschungen?
„Die größte Herausforderung beginnt im Kopf. Wenn wir schon Rituale in normal, neu oder auch quer einteilen, beginnt da schon für mich die Herausforderung. Denn ein Ritual ist kein Trend, sondern es ist Ausdruck einer Beziehung. Gerade bei Scheidungskindern habe ich oft die Frage: Wer bringt jetzt die Braut rein und das wird dann plötzlich zur Zerreißprobe, weil beide Väter Bestandteil ihres Lebens sind. Warum muss man sich da überhaupt entscheiden oder warum muss überhaupt jemand die Braut reinführen? Ich finde, es geht hier nicht um besondere Rituale, sondern es geht um echte Rituale. Wenn Gäste spüren, das etwas authentisch ist, dann entsteht auch keine Irritation, sondern Resonanz und keine Herausforderung, sondern Bewegung. Ich habe viele berührte Gesichter erlebt, wenn die Überraschung nicht im Ritual liegt, sondern wenn es passt. Das schönste Ritual ist das, das man nicht erklären muss, weil es halt einfach stimmt.“
Unsere Expertin
Kathrin Dell-Lenz ist Expertin für persönliche und inklusive Trauzeremonien und Emotional Branding. Sie ist Gründerin von DeinHochzeitsretter, DeineTrauFamily und DeinTrauFreund und begleitet über 100 Hochzeiten im In- und Ausland. Sie ist Rednerin, Mentorin und Ausbilderin.
Credits:
Fotos: Susanne Zabel
Hochzeitsplanung: Ilonka Rien