„Liebe ohne Schablone“: Hochzeitsfotografin Jana Sauer über queersensible Fotografie und echte Nähe 
Damit sich alle Paare vor der Kamera wohlfühlen: Jana Sauer zeigt, wie Hochzeitsfotografie mit Einfühlungsvermögen, inklusiver Sprache und echter Verbindung gelingt. Im Interview verrät sie, wie sie zur queersensiblen Hochzeitsfotografie kam und warum ihr das Thema so sehr am Herzen liegt.
- Wie bist du zur queersensiblen Hochzeitsfotografie gekommen und was hat dich dazu bewegt, dich besonders für queere, trans, non-binäre oder neurodivergente Paare einzusetzen?
- Was bedeutet für dich „Liebe ohne Schablone“?
- Wodurch unterscheidet sich deine Arbeit von klassischen Hochzeitsreportagen?
- Wie setzt du genderneutrale Sprache in deiner Arbeit ein?
- Wie unterstützt du Paare dabei, authentisch zu bleiben?
- Gibt es ein Shooting, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
- Was wünscht du dir für die Zukunft der Hochzeitsfotografie?
Wie bist du zur queersensiblen Hochzeitsfotografie gekommen und was hat dich dazu bewegt, dich besonders für queere, trans, non-binäre oder neurodivergente Paare einzusetzen?
„Alles begann mit dem Entschluss, meine Arbeit sensibler und inklusiver zu gestalten. Den Anstoß gab die Hochzeit meines Patenonkels und seinem Mann. Dabei wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass meine Arbeit alles andere als inklusiv war. Queere Paare wurden weder in meinem Portfolio sichtbar noch sprachlich auf meiner Website angesprochen – alles war auf das klassische Mann-und-Frau-Bild ausgerichtet. Diese Erkenntnis hat mich tief berührt und traurig gemacht. Ich habe angefangen, mein Portfolio zu erweitern und mit einer Freundin zusammen Workshops zu organisieren. Damit ist alles ins Rollen gekommen. Ich wünsche mir, dass sich alle Menschen, die meine Fotos schön finden, angesprochen fühlen.“
Was bedeutet für dich „Liebe ohne Schablone“?
„Für mich bedeutet ‚Liebe ohne Schablone‘, Menschen zuerst als Menschen zu begegnen – ohne sie in Schubladen zu stecken oder von bestimmten Rollenbildern auszugehen. Ich frage ganz offen nach ihren Vorstellungen: Kommt ihr gemeinsam zum Trauort? Gehst du allein oder mit jemandem? Ich arbeite bewusst mit vielen offenen Fragen, um Raum für individuelle Wünsche zu schaffen und traditionelle Vorgaben aufzubrechen. Es geht mir darum, dass sich meine Paare zeigen können, wie sie sind – jenseits klassischer Erwartungen. Wichtig ist mir vor allem, wie sie gesehen werden möchten und was ihnen wirklich am Herzen liegt.“
Wodurch unterscheidet sich deine Arbeit von klassischen Hochzeitsreportagen?
„Ich glaube, meine Arbeit unterscheidet sich nicht unbedingt in der Reportage an sich – aber ich lege eine weitere, sehr persönliche Ebene darüber. Ich bringe viel Empathie mit, stelle offene Fragen und spreche meine Paare bewusst inklusiv an. Viele klassische Anleitungen basieren auf veralteten, heteronormativen Vorstellungen, die für viele gar nicht passen. Genau da setze ich an: Ich möchte Räume schaffen, in denen sich alle wohlfühlen – jenseits von Klischees. Ich bin mir bewusst, dass jede Person mit ganz eigenen Unsicherheiten kommt – sei es in Bezug auf das äußere Erscheinungsbild oder auf die Art, wie der Hochzeitstag gestaltet wird. Es ist für mich besonders wichtig, aufmerksam und sensibel nachzufragen: Was braucht ihr, damit ihr euch wohlfühlt? Wie kann ich euch unterstützen? Nur so entstehen authentische Bilder, in denen sich die Paare wirklich wiederfinden.“
Wie setzt du genderneutrale Sprache in deiner Arbeit ein?
„Genderneutrale Sprache ist für mich ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Das beginnt bei meinen Texten und setzt sich im Kontaktformular fort – dort frage ich zum Beispiel aktiv nach den Pronomen. Statt vom ‚Brautpaar‘ spreche ich bewusst vom ‚Hochzeitspaar‘, um alle mit einzubeziehen. Wenn es passt, nutze ich auch gendergerechte Formulierungen. Darüber hinaus ist mir auch visuelle Inklusion sehr wichtig: Denn wer sich in Bildern wiederfindet, fühlt sich angesprochen und genau das möchte ich mit meiner Arbeit erreichen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es noch so viel mehr zu tun gibt. Viele Menschen haben individuelle Barrieren, die ich vielleicht noch nicht ausreichend berücksichtige. Deshalb möchte ich mich in der Nebensaison intensiver mit digitaler Barrierefreiheit beschäftigen – gerade, was Websites betrifft. Denn Hochzeitsfotografie ist mehr als schöne Bilder: Es geht darum, wirklich zugänglich und einladend für alle zu sein.“
Wie unterstützt du Paare dabei, authentisch zu bleiben?
„Der erste Schritt beginnt schon mit meiner Website und meinem Social Media – dort wird durch Sprache und Bildsprache deutlich: Hier seid ihr willkommen, so wie ihr seid. Repräsentation ist für mich ein zentrales Element. Beim persönlichen Kennenlernen – ob online oder im Café – begegne ich jedem Menschen offen, neugierig und mit echter Freude. Diese ehrliche Vorfreude ist oft ansteckend. Ich begleite meine Paare mit Tipps und Ideen, aber immer so, dass sie sich selbst treu bleiben können – weg von traditionellen Rollenbildern. Gleichzeitig ist es mir wichtig, Verständnis zu zeigen. Zum Beispiel, wenn jemand offen sagt: ‚Ich habe Angst, dass mir die vielen Menschen auf meiner Hochzeit zu viel werden.‘ Solche Sorgen kommen häufiger vor, als man denkt. Ich versuche dann, genau hinzuhören und gemeinsam Wege zu finden, wie sich das Paar sicher und wohlfühlen kann. Dafür stelle ich Fragen wie: ‚Was brauchst du, damit dieser Tag für dich schön und entspannt wird?‘ und versuche, ganz individuell darauf einzugehen. Es geht darum, Menschen dort abzuholen, wo sie gerade stehen.“
Gibt es ein Shooting, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
„Ja, es gab eine Hochzeit, die mich tief berührt hat – und das schon beim ersten Kennenlernen. Das Paar, zwei Männer, war auf der Suche nach jemandem, der ihre Hochzeit fotografisch begleitet. Anfangs konnten sie sich ein Paarshooting überhaupt nicht vorstellen – sie dachten, das sei nichts für sie. Doch als sie auf meine Website und mein Portfolio stießen, haben sie ihre Meinung geändert. Das allein hat mich unendlich bewegt. Der Hochzeitstag selbst war wunderschön. Wir haben vorher offen darüber gesprochen, welche Motive sie vermeiden möchten und was ihnen besonders wichtig ist. Ich durfte komplett frei arbeiten – mit vollem Vertrauen. Und genau das sieht man den Bildern auch an. Es ging nicht um starre Posen oder ein gestelltes Lächeln in die Kamera, sondern darum, ihre echte Verbindung sichtbar zu machen. Diese Erfahrung war für mich etwas ganz Besonderes und bleibt mir bis heute im Herzen.“
Was wünscht du dir für die Zukunft der Hochzeitsfotografie?
„Ich wünsche mir, dass wir uns in der Hochzeitsfotografie vom typischen ‚Portfolio-Denken‘ verabschieden – also dem Gedanken, dass jede Hochzeit perfekt ins eigene Portfolio passen muss. Stattdessen sollten wieder die Menschen und ihre echten Momente im Mittelpunkt stehen. Es geht nicht darum, die perfekte Inszenierung zu schaffen, sondern Erinnerungen an einen Tag voller Bedeutung festzuhalten. Paarshootings sollten sich harmonisch in den Tag einfügen, ohne das Paar stundenlang von den Gästen fernzuhalten. Ich wünsche mir außerdem mehr Offenheit gegenüber der Vielfalt von Paaren – und dass diese Verschiedenartigkeit nicht nur akzeptiert, sondern sichtbar gefeiert wird. Ein großer Wunsch von mir ist auch, dass wir sensibler mit Sprache umgehen. Dass wir im Kontaktformular nicht mehr nach ‚Braut‘ und ‚Bräutigam‘ fragen, sondern geschlechtsneutral formulieren – zum Beispiel ‚Person 1‘ und ‚Person 2‘, ‚Partner*in‘ oder auch kreativ mit Begriffen wie ‚Lover One‘ und ‚Lover Two‘ arbeiten.
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